#parteiweise Freie Wähler: CDU-Klon für Sachsen-Anhalt?
Diese Frage beantwortet euch Daniel Grabowski in der Parteivorstellung der Freien Wähler.
Freie Wähler: CDU-Klon für Sachsen-Anhalt?
Gegründet 2009 in Würzburg
Vorsitz: Hubert Aiwanger
Sitz in Ganderkesee
Regiert in Bayern mit
In Bayern und Rheinland-Pfalz im Landtag vertreten
Die Freien Wähler wirken wie die unbeliebte kleine Schwester der CDU. Haben sie wirklich keine eigenen Ideen?
In Bayern regieren die Freien Wähler (FW) mit! Zwar nur als Juniorpartner, aber immerhin. Einen politischen Einfluss scheinen sie trotzdem nicht zu haben, der Grund: Regierungspartner CSU. Die FW sind inhaltlich beinahe deckungsgleich mit der Union, die einzige erkennbare Errungenschaft scheint also zu sein, dass die CSU alleine regieren kann. Den Partner CDU kaum zu Kompromissen zu zwingen, ist auch für eine Kleinpartei in der Regierung etwas schwach. Aus den Fehlern in Bayern haben die FW doch gelernt, oder? Jetzt hier in Sachsen-Anhalt müssen sie sich dringend bemühen, nicht wie die CDU (CSU) zu sein.
Können sie sich von der CDU abheben? Antworten liefert das Wahlprogramm der Freien Wähler. Mit ihrem Fokus auf die ländlichen Gebiete, besetzen die FW schon mal halbwegs einen eigenen Platz in der Politik. Zugegeben, gerade auf dem Land besteht Nachholbedarf bei der Infrastruktur und der Abwanderung von Menschen. Um aus diesem Fokus ein Wahlprogramm zu machen, addieren die FW Forderungen wie: Kommunen sollen mehr Selbstständigkeit bekommen, sie sollen aber gleichzeitig vom Land finanziert werden. Fraglich, ob das miteinander kombinierbar ist. Die Mietpreise sollen auch runter, Wohnen soll bezahlbar sein, fordert die Partei. Kulturen und Traditionen sollen erhalten bleiben und Freizeitangebote erhöht werden. Die Freien Wähler können aber nicht nur konservativ, auch bei der SPD räubern sie etwas; sie fordern gratis Kitas und Horte und mehr Inklusion von Menschen mit Behinderung. Zudem sollen Waldflächen erhalten bleiben, die Begründung ist der Klimaschutz. Auch Energie aus fossilen Rohstoffen lehnt die Partei ab. Die FW positionieren sich im Wahlprogramm für den Naturschutz, aber mit der Begründung, dass die bestehenden Kulturlandschaften uns doch erhalten bleiben sollen. Überzeugung klingt leider anders. Die Wünsche vieler potenzieller Wähler greifen die FW womöglich mit der Forderung auf, kein Atomendlager in Sachsen-Anhalt zu errichten. Verständlich, keiner will Radioaktivität im Nachbarsgarten. Dennoch sollte bedacht werden, dass unser Bundesland etwa halb so viele Einwohner auf einem Quadrat-Kilometer hat, wie der Deutschland-Schnitt. Vielleicht ist hier ein geeigneter Ort dafür, denn die Fehler der Vergangenheit können wir nicht einfach verdrängen oder outsourcen. Irgendwo muss es halt hin. Mit so einem – im wahrsten Sinne des Wortes – Ballast kommen doch hoffentlich im Gegenzug Vorteile vom Bund.
Zurück zum Wahlprogramm. Die Freien Wähler haben auch Ideen, wie unser Schulsystem verbessert werden kann. Ein einheitlicher Bildungsstandard sei notwendig. Sie versprechen, gegen den Lehrermangel vorgehen zu wollen. Dafür schlagen die FW vor, das Lehramtsstudium finanziell mehr zu unterstützen. Auch wünschen sie sich, dass jede Schulbildung komplett online möglich sein soll. Das wäre sicher eine gelungene Addition zum Präsenzunterricht, ersetzen kann man ihn aber kaum – das haben wir durch die Pandemie gelernt.
Im Tourismus in Sachsen-Anhalt scheint die Partei Chancen, aber auch Nachholbedarf zu sehen. Er soll hier explizit mehr gefördert werden, gleichzeitig auch grüner und nachhaltiger werden. Thema Nachhaltigkeit: Hier springt die Partei etwas auf die aktuelle Grüne Welle auf Für den Klimaschutz haben sie ein paar interessante Ideen, konsequenter Umweltschutz wird daraus aber nicht. Einer der Höhepunkte des Wahlprogramms: Wasserstoffindustrie fördern. Schlaue Forderung, denn der Verbrennungsmotor mit Fossilen Brennstoffen (Benzin, Diesel) steht in der Kritik, die batterieelektrische Lösung ist aktuell aber auch keine echte: Seltene Erden, Kinderarbeit, mangelnder Ökostrom. Eine gute Option ist vielleicht der Wasserstoffantrieb, bei dem kein CO² oder Feinstaub entsteht, sondern: Wasser. Könnte zukunftsfähig sein und hier weiter zu forschen, ist dringend nötig. Energie aus Fossilen Brennstoffen wollen die Freien Wähler generell verbieten, leider nennen sie kein Ultimatum. Da ist kein konsequenter Veränderungsdrang.
Zu guter Letzt noch einige „wählt-uns-wir-machen-euer-Leben-besser-Wahlkampf-Ansagen“. Die Medizinische Versorgung soll verbessert werden, ebenso der Ärztemangel. Das Begleitete Fahren für Führerschein-Neulinge soll schon ab 16 Jahren möglich sein. Sie wollen Jugendarbeit und Vereine unterstützen, und mehr Polizisten einstellen und diese dann auch besser ausstatten. Dabei hat die Polizei doch ein viel akuteres und größeres Problem; strukturell gefestigter Rassismus. Dieses Problem wird leider nicht angesprochen, dafür, dass unsere bereits gut bewaffneten und mit Protektoren gepanzerten Polizisten angeblich mehr Ausrüstung brauchen. Besser wird es wieder mit Ideen, wie einen gesetzlichen Abbiegeassistenten für LKWs einzuführen, der Unfälle aller Art, besonders die mit Fahrradfahrern verhindern soll. Auch schnelleres Internet, Unterstützung für Startups und besseren Schutz vor Cyberkriminalität wollen die FW durchsetzen.
Wo stehen sie jetzt, die Freien Wähler? Sind sie im Geiste eng mit der CDU verwandt, gleichen sie sich gar bis aufs Haar oder bringen sie (wenigstens für Sachsen-Anhalt) frischen Wind in die Politik? Die Wahrheit liegt, wie so oft, irgendwo dazwischen. Ja, inhaltlich sind die FW oft ganz nah dran an der CDU. Aber auch Ausreißer in Richtung SPD sind im Wahlprogramm zu finden, tatsächlich auch Ausreißer in die andere Richtung. Der Begriff „Heimat“ wird schon seit ein paar Jahren von der AfD besetzt. Das können die Freien Wählern nicht verpasst haben. Aufgrund ihres Fokus auf diesen Begriff passiert es, dass man sie leicht in Richtung AfD verortet. Jetzt aber wirklich der Schlussstrich: viel CDU, etwas SPD, irgendwie auch etwas AfD. Das beschreibt die Freien Wähler ziemlich gut, ebenso gut wie die CDU dieser Tage. Also ja, von der Union können sich die freien Wähler kaum abheben. Da stellt sich zurecht die Frage, warum sollte man sie wählen. Eigentlich gibt es dafür keinen ersichtlichen Grund. Zugegeben haben sie schon ein paar Ideen, die man bei der CDU nicht findet, aber reicht das, um eine Partei zu wählen, die eher nicht ins Parlament einziehen wird. Das muss jeder für sich entscheiden, an der Wahlurne, am 06. Juni.
https://fw-lsa.de/fileadmin/Dateien/Dokumente/Wahlprogramme/Programm_LTW_2021_Eckpunkte_FINAL.pdf
https://fw-lsa.de/fileadmin/Dateien/Dokumente/Wahlprogramme/Programm_LTW_2021_Short_FINAL.pdf
Daniel Grabowski